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Auszeichnungen

„Eine Würdigung des Engagements für Geflüchtete, für Ältere sowie für Kinder und Jugendliche – gerade in Zeiten der Pandemie“

Pressemitteilung

Als ich von der Auszeichnung des Familienclubs Mischpacha erfahren habe, war meine Freude darüber sehr groß. Ich kenne die Arbeit dieses Vereins seit seiner Gründung vor 17 Jahren; als Lokalredakteurin habe ich seine Entwicklung mitverfolgt und kam jedes Mal von meinen Presseterminen dort beeindruckt zurück in die Redaktion. Aber ich kenne die Arbeit von Mischpacha nicht nur von außen, sondern auch von innen. Denn seit sechs Jahren zählen auch meine Kinder zu den über 250 Kindern und Jugendlichen, die die Angebote dieses Vereins nutzen. Und diese haben mich auch in meiner Rolle als Mutter überzeugt. Bei Mischpacha werden Kinder auf die Grundschule vorbereitet, sie können dort ihre musischen und künstlerischen Fähigkeiten ausbauen, Bühnenerfahrungen in einer Tanzgruppe sammeln, sie bekommen Nachhilfe, um in der Schule erfolgreich zu sein. Im Umgang innerhalb einer Gruppe können die jungen Nürnberger:innen ihre sozialen Kompetenzen stärken. Kurz: Dank Mischpacha können sich Kinder und Jugendliche weiterentwickeln. Gut so für sie. Gut so für unsere Stadt und unsere Gesellschaft. Wir brauchen kompetente und selbstbewusste Menschen. Natürlich – und zum Glück – gibt es in Nürnberg auch ganz viele andere Vereine, die sich der Förderung der jungen Menschen verschrieben haben, wie Mischpacha.

Es gibt jedoch ein paar Faktoren, die die Arbeit von Mischpacha so besonders machen. In diesem Verein wird Inklusion gelebt. Seine Angebote nutzen Kinder, deren familiären Wurzeln weit verstreut sind über die Weltkarte – von Franken über Russland, die Ukraine bis zu Aserbaidschan und Kasachstan. Auch was die finanzielle Ausstattung und Fördermöglichkeiten der Familien betrifft, bringen die Mischpacha-Kinder unterschiedliche Hintergründe mit. Mischpacha sind alle Kinder willkommen. Sehr viele Vereinskinder wachsen aber nicht in großzügig geschnittenen Wohnungen mit Garten auf, können nicht immer von ihren Eltern Nachhilfe bekommen. Gerade die Pandemie hatte und hat fatale Folgen für die Entwicklung vor allem solcher Kinder. Mischpacha ist es aber gelungen, den Vereinsalltag vor der Pandemie in die Corona-Zeit zu übertragen. Während viele Familien am Homeschooling verzweifelten, auch weil es keinen regulären und umfassenden Online-Unterricht für Kinder gab, während viele Vereine ihre Arbeit komplett auf Eis legten, konnten die Mischpacha-Kinder weiterhin ihre Freizeit- und Bildungsangebote bei Mischpacha nutzen. Und das bereits nach ein paar Wochen des ersten Lockdowns. Nun kamen nicht die Kinder in die Räume der Mischpacha, sondern der Familienclub kam zu ihnen nach Hause. In Form von Zoom-Meetings. Auch für meine Kinder verwandelte Mischpacha unser Wohnzimmer in einen Tanzsaal, in dem meine Kinder mit ihrer Tanzgruppe trainieren konnten. Sie behielten dadurch ihre Tagesstruktur, konnten weiterhin ihrem Hobby nachgehen, dazulernen. Und sie trafen sich mit anderen Kindern aus ihrer Gruppe, zwar über den Computer, aber immerhin. So mussten sie auf ihre vertraute Gemeinschaft und den Austausch untereinander nicht verzichten. Auch dieser Aspekt ist enorm wichtig.

Ja, Mischpacha hat schnell reagiert und mit Sicherheit vielen Defiziten, die bei den Kindern sonst entstanden wären, vorgebeugt. Als Mitglied unserer Gesellschaft, Nürnbergerin und als Mutter freut es mich sehr, dass gerade diese Leistung vom Integrationsrat der Stadt Nürnberg gesehen und mit dem Preis gewürdigt wurde.
De
n interkulturellen Preis hat sich der Familienclub sehr verdient. Und das nicht nur durch seine zupackende Art in der Corona-Zeit. Den Verein haben Eingewanderte aus den GUS-Ländern gegründet, um ihre Kinder auf deren neuem Weg im neuen Land zu unterstützen. Sie haben nicht gewartet, bis ihnen jemand hilft, sondern haben auch da schon Initiative bewiesen. Und das, obwohl sie selbst nicht unbedingt über die besten Kenntnisse der deutschen Sprache und die Rahmenbedingungen hierzulande verfügten. Ja, Menschen mit Einwanderungsgeschichte wissen auch sich selbst und auch anderen zu helfen. Auch wenn noch oft das Stereotyp gepflegt wird, dass sie Ressourcen kosten. Nein, diese Menschen sind auch eine Ressource für unsere Stadt und unsere Gesellschaft.

Der Familienclub Mischpacha hätte sich nie so gut entwickeln können, wenn es nicht die vielen pädagogischen Kräfte in diesem Verein gäbe, die tagtäglich ihr Bestes für die Kinder geben. Auch hier leistet der Familienclub Empowerment. Viele der Lehrkräfte des Vereins haben selbst eine Migrationsgeschichte und trotz ihrer hervorragenden Ausbildung im Herkunftsland hatten sie erst einmal keine guten Chancen auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland. Was an den Strukturen hierzulande liegt und eben nicht an ihnen. In Mischpacha können diese Expert:innen ihrer Berufung nachgehen und leisten einen wertvollen Beitrag für unsere Stadt und darüber hinaus. Die Tanzgruppe unter der Leitung der Choreografin Anna Alesikova hat zum Beispiel im Jahr 2019 bei der Weltmeisterschaft der Tanzgruppen in Portugal Deutschland vertreten und kam als Siegerin nach Hause. All diese großen und kleinen Dinge, die die Mitarbeitenden und Ehrenamtlichen bei Mischpacha leisten, verdienen Respekt und Anerkennung.

Bei Preisverleihungen geht es erst einmal um die Retrospektive. Aber es ist auch eine gute Gelegenheit, perspektivisch zu denken. So blicke ich jetzt zum Schluss noch nach vorne. Ich bleibe zuversichtlich, dass der Familienclub Mischpacha sich weiterhin ins Zeug legt für die jungen Nürnberger:innen. Der Preis ist ein guter Ansporn dazu. Ich will aber auch hoffen, dass die Stadt Nürnberg mit all ihren Institutionen die Arbeit von Mischpacha, wie auch von vielen anderen Vereinen, engagiert unterstützt. Von nichts, kommt nichts. Damit diese Arbeit gedeihen kann, braucht es viele helfende Hände, auch seitens der Stadt.
Laudation von Ella Schindler

 
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